Friedrich Dürrenmatt

dürrenmatt

„Es gibt in der deutschen Sprache die zwei Ausdrücke ,sich ein Bild machenund ,im Bilde sein. Wir sind nie ,im Bilde` über diese Welt, wenn wir uns von ihr kein Bild machen. Dieses Machen ist ein schöpferischer Akt. Er kann auf zwei Arten verwirklicht werden: durch Nachdenken, dann werden wir notgedrungen den Weg der Wissenschaft gehen müssen, oder durch Neuschöpfen, das Sehen der Welt durch Einbildungskraft.“

  • Friedrich Dürrenmatt: Vom Sinn der Dichtung in unserer Zeit, in: ders., Gesammelte Werke, Bd. 7, Zürich 1991, S. 427.

„Ihr baut eure Handlungen logisch auf; wie bei einem Schachspiel geht es zu, hier der Verbrecher, hier das Opfer, hier der Mitwisser, hier der Nutznießer; es genügt, dass der Detektiv die Regeln kennt und die Partie wiederholt, und schon hat er den Verbrecher gestellt, der Gerechtigkeit zum Siege verholfen. Diese Fiktion macht mich wütend. Der Wirklichkeit ist mit Logik nur zum Teil beizukommen. […] Doch in euren Romanen spielt der Zufall keine Rolle, und wenn etwas nach Zufall aussieht, ist es gleich Schicksal und Fügung gewesen; die Wahrheit wird seit jeher von euch Schriftstellern den dramaturgischen Regeln zum Fraße hingeworfen. Schickt diese Regeln endlich zum Teufel. Ein Geschehen kann schon allein deshalb nicht wie eine Rechnung aufgehen, weil wir nie alle notwendigen Faktoren kennen, sondern nur einige wenige, meistens recht nebensächliche. Auch spielt hier das Zufällige, Unberechenbare, Inkommensurable eine zu große Rolle.“

  • Das Versprechen (1957)

„Die Dramatik kann den Zuschauer überlisten, sich der Wirklichkeit auszusetzen, aber nicht zwingen, ihr standzuhalten oder sie gar zu bewältigen.“

  • 21 Punkte zu den Physikern

>Ich kann dir nichts mehr entgegnen<<, sagte der Arzt düster. >>Du hast mir die Wahrheit bewiesen.<< >>Wir dürfen jetzt nicht übertreiben<<, meinte der Alte und schloß die Mappe auf seiner Bettdecke. >>Ich habe dir nur die Wahrscheinlichkeit meiner Thesen bewiesen. Aber das Wahrscheinliche ist noch nicht das Wirkliche. Wenn ich sage, dass es morgen wahrscheinlich regnet, braucht es morgen doch nicht zu regnen. In dieser Welt ist der Gedanke mit der Wahrheit nicht identisch. Wir hätten es sonst in vielem leichter, Samuel. Zwischen dem Gedanken und der Wirklichkeit steht immer noch das Abenteuer dieses Daseins, und das wollen wir nun denn in Gottes Namen bestehen.<<

– Der Verdacht

Friedrich Reinhold Dürrenmatt wurde am 05. Januar 1921 in Konolfingen geboren und starb am 14. Dezember 1990 in Neuenburg; Todesursache: Herzversagen

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6 Antworten zu Friedrich Dürrenmatt

  1. tikerscherk schreibt:

    Wie kommt es, dass hinter dem Sterbedatum der Menschn, die in diesem Blog erwähnt werden, stets die Todesursache steht?

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    • Unbekannt schreibt:

      Um mir zu vergegenwärtigen, dass das Leben begrenzt ist, und jede Bedeutung, die wir im Reich der Worte zu entdecken vermeinen, nichts weiter als eine Brücke aus dem Leben ist, die wieder zum Leben führt. Ich finde es außerdem lohnenswert, sich damit auseinanderzusetzen, wie Menschen vor unserer Zeit gelebt haben/ in unserer Zeit leben.

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    • Unbekannt schreibt:

      Kannst Du gute Gründe dafür sehen?

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  2. tikerscherk schreibt:

    Verstehe ich nur so halb. Die Todesursache sagt nicht viel über das Leben aus, dass gelebt wurd.e Es sei denn sie ist Folge einer chronischen Erkrankung o.ä.

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    • Unbekannt schreibt:

      Ich auch. „Ursache“ suggeriert ja Logik. Als könnte man über den Tod bestimmen. Aber Lebensgeschichten sind, das wirkliche Geschehen ist unlogisch. Wir sind ihm ausgeliefert, und vor dieser ureigenen Wahrheit sind alle die Erklärungen lächerlich, oder zumindest recht schwache Trostpflaster. Man weiß das, und darauf soll die Nennung der „Todesursache“ auch ironisch zurück verweisen. In einer Art „negativer“ Betonung den Gedanken an das Positive provozieren, das ist meine Absicht, was das Lesen angeht. Respekt vor dem Tod, oder dem, was er bedeutet. Zum anderen soll es dieses absurde „wie-wir-uns-es-erklären“ im Blick halten, die Angst vor dem Tod, das sich Klammern an Vergängliches, die Verschwendung von Gedankenkraft – was mit dem Tod von irgendwem anderem in dem Moment nichts zu tun hat. Im Gegenteil – Erklärunen töten. Aber oft ist es nur ein Scheintod. Ich weise jedenfalls hin auf den unausgewogenen Umgang mit dem Tod und die „Unzulänglichkeit des menschlichen Strebens“.
      Jeder Tod ist einmalig und unabänderlich, und er sagt in seinen sämtlichen Umständen etwas über das dazugehörige Leben aus. Die Begründungen für den physischen Tod wiederholen sich natürlich, es sind aber doch nie dieselben Tode. Darüber nicht gedankenlos weg zu gehen, das ist mir wichtig.
      Entschuldige die Konfusion, Du hast eine schwierige Frage gestellt, da fühle ich mich etwas überfordert. Ich meine, das mit den Todesumständen ist biographische Konvention, wen betrifft die nicht…? :)

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      • tikerscherk schreibt:

        Ich kann mit deiner Antwort etwas anfangen. Danke für die Ausführlichkeit.
        Habe lange in eienr Klinik gearbeitet und mich immer sehr für die Unfallursache meiner Klienten interessiert. Das ist dem nicht unähnlich, was du schreibst, wenn es auch nicht um Alles oder Nichts geht.

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